Oldtimerauktionen in Monterey: Wo sich profanes Blech in pures Gold verwandelt
Monterey an der amerikanischen Pazifikküste ist immer eine Reise wert. Wer etwas für amerikanische Literatur übrig hat, spaziert die Strandpromenade Cannery Row entlang, einst Zentrum der Fischindustrie. Nobelpreisträger John Steinbeck gab seinem Roman, der in der deutschen Übersetzung „Straße der Ölsardinen“ heißt, im Original den Namen der Straße. Fischfreunde drängt es am Ende der Cannery Row in das weltberühmte Monterey Bay Aquarium mit seiner Riesenmenge artgerecht gehaltener Meerestiere. Und die Reichen und Schönen dieser Welt mit einer Spur Benzin im Blut versammeln sich alljährlich im August zur „Monterey Car Week“.
Auch diesmal wechseln sich dort vom 9. bis 18. August Präsentationen,
Paraden und Partys mit fabrikneuen Traumwagen, spektakulären Oldtimern
und rassigen Rennautos ab. Höhepunkte sind der „Pebble Beach Concours
d'Elegance“, eine Oldtimer-Parade auf dem 17-Miles-Drive am 18. August,
einer für Touristen mautpflichtigen Küstenstraße im benachbarten
Carmel-by-the-sea. Und fast ebenso interessant sind die zwischen dem 15.
und dem 17. August stattfindenden Versteigerungen mehr oder weniger
wertvoller Oldtimer.
Dieser Ferrari 250 California Spider (1962) mit kurzem Radstand soll in Monterey zwischen 10,5 Millionen und 13 Millionen Dollar einbringen. Foto: Auto-Medienportal.Net/Sotheby's
Große Frage dieses Jahr: Hält der ungezügelte Goldrausch im Segment der
für Normalverbraucher unbezahlbaren Chromjuwelen an? 2018 trieb das
Auktionshaus Sotheby's den Preis eines 1962er Ferrari 250 GTO in eine
Höhe von 48,405 Millionen Dollar (damals 42,6 Millionen Euro). Das Auto
avancierte so zum wertvollsten, jemals auf einer Auktion versteigerten
Fahrzeug. Von dem italienischen Sportwagen waren ab 1962 nur 36
Exemplare produziert worden, die neu jeweils rund 72 000 Mark gekostet
hatten. So einen Sprung würde selbst Dagobert Duck als anständige
Verzinsung bezeichnen.
Dieser Ferrari 250 GTO by Scaglietti von 1962 avancierte 2018 mit 48,405 Millionen Dollar (42,6 Millionen Euro) zum teuersten Auto der Welt. Foto: Auto-Medienportal.Net/Sotheby's
Diesmal gelten zwei weitere Edelkarossen aus Maranello als Gradmesser,
ein 61 Jahre alter 250 GT California Spider mit langem Radstand, den die
Auktionatoren von Gooding & Company versteigern wollen, sowie ein
vier Jahre jüngeres Exemplar mit kurzem Radstand, das bei Sotheby's
unter den Hammer kommen soll. Obwohl in diesem Jahr noch eine ganze
Reihe spektakulärer Liebhaberstücke neue Besitzer suchen, dürften die
von den beiden California Spider erzielten Preise einen zuverlässigeren
Hinweis darauf geben, wie weit offen die Portemonnaies der
zahlungskräftigsten Fans am oberen Ende des Marktes inzwischen noch
stehen. Die Experten beider Auktionshäuser zum Beispiel geben sich fast
bescheiden, wenn sie mit einem Erlös zwischen 10,5 Millionen und 13
Millionen Dollar (9,45 Millionen bis 11,7 Millionen Euro) rechnen.
Bugatti Typ 57SC Atlante (1937). Foto: Auto-Medienportal.Net/Sotheby's
Sotheby's hält allerdings noch eine Reihe anderer Raritäten im Regal
bereit, die für weit mehr Geld weggehen könnten. Für zwei von ihnen wird
zum Beispiel ein Schätzpreis nur unter vorgehaltener Hand gegenüber
tatsächlich potenziellen Bietern genannt. Dabei handelt es sich zum
Beispiel um einen Bugatti Typ 57 SC Atlante von 1937, der allerdings
nicht unter den Hammer kommen, sondern im Kundenauftrag verkauft werden
soll. Das Auto, das einst zur berühmten Sammlung des Casino-Betreibers
William S. Harrah aus Reno/Nevada zählte, hat gerade eine zweijährige
Restaurationskur bei Sotheby's selbst hinter sich gebracht, befindet
sich sozusagen in fabrikneuem Zustand und wäre „reif für jeden Concours
d'Elegance“ auf der Welt, wie es bei den Auktionatoren heißt.
Porsche Typ 64 (1939). Foto: Auto-Medienportal.Net/Sotheby's
Das andere Sotheby's-Prunkstück ist der Porsche Typ 64, Baujahr 1939.
Der zunächst als privates Familienauto von Ferry und Ferdinand Porsche
genutzte Sportwagen startete nach dem Zweiten Weltkrieg bei diversen
Rennen. Seinen Piloten Otto Mathé beeindruckte das Fahrzeug so sehr,
dass er es seinem privaten Museum einverleibte, wo es 50 Jahre
verbrachte. Danach wanderte es zu zwei anderen Besitzern, jetzt ist es
in Monterey zu haben. „Ohne den Typ 64 gäbe es keinen Porsche 356,
keinen 550 und keinen 911“, sagt Marcus Görig, Car Spezialist bei
Sotheby’s. Noch genauer: Der Porsche Typ 64 gilt als Bindeglied zwischen
VW Käfer und Porsche 356 und ist der erste Porsche überhaupt. Als Basis
verwendete Ferdinand Porsche seinen KdF-Wagen, aus dem nach Kriegsende
der VW Käfer entstehen sollte. Als neuer Besitzer dürften nur solche
Leute in Frage kommen, denen es auf das eine oder andere Milliönchen
nicht so sehr ankommt.
Porsche 718 RSK (1959). Foto: Auto-Medienportal.Net//Bonhams
Überhaupt ist Sotheby's in Monterey so gut aufgestellt, dass sich bei
den Auktionatoren keiner Sorgen machen muss. Insgesamt befinden sich 189
Oldtimer im Angebot, darunter 34 Aston Martin und 33 Ferrari sowie ein
weiter Querschnitt von allem mit vier Rädern, was gut und teuer ist. Ein
gutes Drittel der Kandidaten soll mindestens eine Million wert sein und
möglichst eine ganze Menge Dollar mehr einbringen.
Riker Electric (1898). Foto: Auto-Medienportal.Net/Worldwide Auctioneers
Eine weitere Rarität gibt es bei Worldwide Auctioneers zu ersteigern,
ein Riker Electric aus dem Jahr 1898. Das vom amerikanischen
Elektroautopionier Andrew L. Riker gebaute Auto wurde zusammen mit dem
berühmten Lohner-Porsche auf der Weltausstellung 1900 in Paris gezeigt,
wo es mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wurde. Immer noch befindet
sich das Elektromobil 121 Jahre nach seinem Bau in einem völlig
originalen, unrestaurierten Zustand.
Der Riker Electric war 1898 eines der schnellsten Autos in Amerika und wurde von Andrew Rikers Frau bis 1930 täglich benutzt. Foto: Auto-Medienportal.Net/Worldwide
Das original erhalten gebliebene Ledernummernschild mit den Initialen
von Riker war das erste im Bundesstaat New York und möglicherweise auch
das erste in den USA. Andrew Riker fuhr das Auto zum Sieg auf der
Mechanics Fair im Charles River Park in Massachusetts im Jahr 1898 und
zwei Jahre später bei einem Rennen in Paris im Jahr 1900. Er gewann auch
den ersten Platz beim allerersten 50-Meilen-Straßenrennen in Amerika
auf Long Island, New York. In seiner Blütezeit konnte der Riker
angeblich 65 km/h erreichen und mit einer Batterieladung 80 Kilometer
weit fahren. Laut Worldwide Auctioneers wäre er das perfekte Auto für
den London to Brighton Veteran Car Run. Auch für dieses Auto gibt es
keinen offiziell genannten Schätzpreis.
Das Ehepaar Riker mit seinem Riker Electric in Paris 1898. Das Auto wurde von Andrew Rikers Frau bis 1930 täglich benutzt. Foto: Auto-Medienportal.Net/Worldwide Auctioneers
Ein Geheimnis aus der erwarteten Summe zu machen, die für ein besonders
seltenes Auto erzielt werden könnte, ist in diesem Jahr Trend, so auch
für den Porsche 718 RSK, der bei der „Quail Lodge Auction“ von Bonhams
unter den Hammer kommen wird. Das Auto wurde 1959 an den belgischen
Rennfahrer Christian Goethals ausgeliefert. Dessen erstes Rennen endete
am 3. März 1959 mit einem Gesamtsieg beim Grand Prix von Leopoldville
(damals Belgisch Kongo) in der Klasse Sportwagen, weitere Rennerfolge
schlossen sich an. Seine spätere Geschichte liegt weitgehend im Dunkeln.
Erst in den frühen 90er Jahren wurde das Auto in einer Garage in
Dayton, Ohio, wiederentdeckt. Der jetzige Preis dürfte siebenstellig
sein.
Es geht aber auch preiswert. Sogar bei Sotheby's. Dort werden sogar drei
Volkswagen unter den Hammer kommen: Ein Geländewagen Typ 181 aus dem
Jahr 1973 zu einem Schätzpreis zwischen 25 000 und 35 000 Dollar (22 500
und 31 500 Euro), ein Käfer aus dem Baujahr 1977 (40 000 bis 60 000
Dollar/ 36 000 bis 54 000 Euro) und ein 63 Jahre alter VW Deluxe
23-Fenster-Microbus. Der soll allerdings etwas mehr Geld einbringen:
zwischen 155 000 und 195 000 Dollar (139 500 und 175 500 Euro). Doch
vielleicht kann ja eine großzügige Erbtante helfen.
Text: ampnet/Hans-Robert Richarz, cen
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